Fraunhofer automatisiert Demontage von Elektrogeräten

Ziel ist es, verschiedenste Produkte in Echtzeit zu verarbeiten. KI-Lösungen sollen das dazu erforderliche Engineering minimieren.

Forschende des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF arbeiten an Lösungen für die automatisierte, zerstörungsfreie, roboterbasierte Demontage von Elektronikgeräten. Ziel ist das Remanufacturing und die werkstoffliche Recycling im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft.

Angaben des Instituts zufolge landen mehr als 80 Prozent des Elektroschrotts auf Deponien oder in der Müllverbrennung. Und mit ihm die darin enthaltenen wertvollen Rohstoffe, Edelmetalle und seltene Erden. Gefährliche Chemikalien und Schadstoffe können bei der Verbrennung in die Umwelt gelangen.

Nur zu einem geringen Teil würden Altgeräte, sofern sie nicht geschreddert werden, manuell demontiert, von Schadstoffen bereinigt, mechanisch zerkleinert und durch Sortierprozesse in verschiedene Fraktionen getrennt. Diese manuelle Demontage sei jedoch mit hohen Kosten verbunden und wenig effektiv, so das Institut weiter. Nachhaltige Werterhaltungsstrategien, um Elektrogeräte im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufzuarbeiten und wiederzuverwerten, würden bislang weitestgehend fehlen.

Zerstörungsfreie Demontageprozesse

Abhilfe soll das Projekt iDEAR schaffen. Das Kürzel steht für Intelligente Demontage von Elektronik für Remanufacturing und Recycling. Dessen Ziel: Forschende am Fraunhofer IFF in Magdeburg wollen Methoden aus den Bereichen Wissensmanagement, Mess- und Robotertechnik und Künstliche Intelligenz zu einem intelligenten System für automatisierte und zerstörungsfreie Demontageprozesse verbinden, um ein zertifizierbares und geschlossenes Abfallmanagementsystem zu etablieren.

»Wir wollen die Demontage von Elektroschrott revolutionieren. Aktuelle Lösungen sind mit hohem Engineering-Aufwand verbunden und beschränken sich auf eine bestimmte Produktgruppe. Im Projekt iDEAR streben wir eine datengetriebene Methodik an, damit von PCs über Mikrowellen bis hin zu weißer Ware möglichst verschiedene Produkte mit geringem Engineering-Aufwand und in Echtzeit demontiert werden können«, sagt José Saenz, Gruppenleiter Assistenz-, Service- und Industrieroboter am Fraunhofer IFF. Zunächst fokussieren sich die Forschenden auf die automatisierte Demontage von PCs, das Verfahren soll aber langfristig auf beliebige Geräte wie etwa Waschmaschinen erweiterbar sein.

Identifikation von Baugruppen

In einem aktuellen Pressetext erklärt das Institut die Vorgehensweise des Projekts wie folgt: Nachdem die Waren angeliefert und vereinzelt wurden, steht die Identifikation und Befundung am Anfang der Prozesskette. Dabei erfassen KI-basierte 3D-Kamera- und optische Sensorsysteme Label mit Angaben zu Hersteller, Produkttyp und -nummer, erkennen Typ und Lage von Bauteilen, überprüfen Geometrien und Oberfläche, bewerten den Zustand von Verbindungselementen wie Schrauben und Nieten und detektieren Anomalien.

»Optische Messtechnik hilft, Etiketten zu erfassen und unterschiedliche Bauteile wie etwa Schrauben zu sortieren. Zuvor trainierte Machine-Learning-Algorithmen und KI werten die Bilddaten aus und ermöglichen die Erkennung und Klassifizierung von Materialien, Kunststoffen und Komponenten auf Basis von Sensor- und Spektraldaten in Echtzeit«, so José Saenz. Beispielsweise erkennt die KI, ob eine Schraube verdeckt angebracht oder verrostet ist. Alle Daten werden in einem digitalen Demontagezwilling festgehalten, der quasi eine Instanz des Produkts ist und auch darüber informiert, ob ein ähnliches Produkt schon einmal demontiert wurde.

Im nächsten Schritt legen Saenz und sein Team in einer Software die Demontage-Sequenzen fest, die unter anderem definieren, ob eine vollständige oder partielle, also nur auf die Rückgewinnung hochwertiger Komponenten gerichtete, Demontage stattfinden soll. Denn verklebte Komponenten oder andere Fügeverbindungen verhindern eine zerstörungsfreie Demontage. Auch verrostete Schrauben, verschlissene Schraubköpfe oder deformierte Komponenten sind nicht dafür konzipiert.

Roboter-Training

Auf Basis dieser High-Level-Informationen startet der Demontageprozess. Der Roboter erhält eine Reihe von abzuarbeitenden Anweisungen und Abläufen wie »Entferne links am Gehäuse zwei Schrauben, öffne das Gehäuse etc.« Sofern erforderlich, wechselt die Maschine zwischen den einzelnen Arbeitsschritten das jeweils erforderliche Werkzeug. Zu den in den Demontagesequenzen festgelegten Skills gehören Roboterhandlungen wie schrauben, heben, schneiden, herausziehen, lokalisieren, neu positionieren, anfahren, ablegen, Hebel betätigen, biegen, brechen, Kabel schneiden, die der Demontageroboter komplett eigenständig ausführen kann.

In Tests sei es dem Demonstrator sogar gelungen, ein Mainboard aus einem PC-Gehäuse zu nehmen – eine sehr komplexe Aufgabe, die ein hohes Maß an Feinfühligkeit verlangt. »Hier haben wir KI eingesetzt. Ein KI-Agent trainiert die Lösung des Prozesses zunächst am Simulationsmodell, später übertragen wir die so trainierte Roboterhandlung auf den realen Versuchsaufbau. Bei einfachen Skills wie beispielsweise lokalisieren ist das nicht erforderlich, dort nutzen wir Sensor- und Kameradaten«, erklärt Saenz.

Die einzelnen Demonstratoren zu den Teilprozessen sind aufgebaut: Eine Station für die Identifikations- und Befundung von PCs, ein Demonstrator des Bewertungsmodells mit Verknüpfung zum Digitalen Zwilling des Produkts und der Demontagesequenz, ein Digitaler Zwilling-Demonstrator, einer, der zeigt, wie Skills-basierte Roboterhandlungen zur Demontage automatisch ausgeführt werden sowie ein Demonstrator für die KI-basierte Generierung von Roboterhandlungen zur Entnahme von Motherboards aus dem Gehäuse.

Im nächsten Schritt müssen die Demonstratoren miteinander verkettet werden. Ziel ist ein Demonstrator, der alle technologischen Entwicklungen integriert und die Verkettung automatisierter Demontageprozesse darstellt. José Saenz ist sich sicher: »Recycling und Remanufacturing sind ein Schlüssel für produzierende Unternehmen, um den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Die Rückgewinnung der Materialien reduziert nicht nur die Umweltbelastung durch Elektronikschrott, sondern stellt eine wertvolle Rohstoffquelle für neue Produkte dar.«

Themenseiten: Elektronik, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit, Recycling

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