Der Börsengang der Mobilfunktochter Orange verläuft für den Mutterkonzern France Télécom bislang unbefriedigend. Obwohl die Preisspanne für den Aktienverkauf noch vergangene Woche deutlich gesenkt und der Preis am Ausgabetag am untersten Ende festgesetzt wurde, kam beim ersten Handel keine Freude auf. Das Papier wurde am Nachmittag zwischen dem Ausgabepreis für Privatleute (9,50 Euro) und für institutionelle Anleger (zehn Euro) gehandelt.
Dabei hatte France-Télécom-Chef Michel Bon noch Anfang des Monats getönt, der Zeitpunkt des Börsengangs sei „für die Aktionäre ideal“. Nun wird an der Finanzstrategie des tief verschuldeten Mutterkonzerns gezweifelt. „Hat Michel Bon sich geirrt?“, fragt die Tageszeitung „Le Monde“. Nachdem sich Orange an der Börse ein blaues Auge geholt hat, müssen sich andere fragen, zu welchen Konditionen sie in diesen Ring steigen wollen.
„Was gibt es für einen Manager Besseres, als glückliche Aktionäre zu haben?“, fragte der 57-jährige France-Télécom-Chef, noch frohgemut, zwei Wochen vor dem Börsengang. Die Aktionäre hätten bei ihm die Möglichkeit, ein Papier mit „einem sehr großen Wachstumspotenzial zu erwerben“. Dann wurde er gewahr, dass die Milliarden-Operation zu einem blanken Desaster zu werden drohte. Denn die Aktionäre verschmähten den Wert.
Am Dienstag musste Bon eingestehen, er habe vergangene Woche vor der Frage gestanden, ob der Börsengang durch eine Senkung der Preisspanne gerettet werden könne oder gar verschoben werden müsse. Vor allem die institutionellen Anleger hatten den französischen Telekom-Riesen unter Druck gesetzt. Bon stand mit dem Rücken zur Wand. Sein Konzern erreichte Ende 2000 den Rekord-Schuldenstand von 60 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Anteil dieser Verschuldung entstand durch den Kauf von Orange – im Mai 2000, als die Telekom-Branche boomte, hatte France Télécom dem britischen Konkurrenten Vodafone die Tochter Orange für 33,15 Milliarden Euro (knapp 65 Milliarden Mark) abgehandelt.
Damals ging France Télécom die Verpflichtung ein, von Vodafone bis zum 31. März 2001 eigene Aktien im Wert von sieben Milliarden Euro (13,7 Milliarden Mark) zurückzukaufen. Ziemlich genau diese Summe ist nun durch den Verkauf von 13 Prozent der Orange-Anteile wieder hereingekommen. Der Erlös reicht gerade, um bei Vodafone die aktuellen Verpflichtungen abzulösen, nicht aber für eine Verringerung der sonstigen Schuldenlast. „Le Monde“ hielt Bon vor, das Konkurrenzunternehmen Vodafone habe sich geschickter aus der Affäre gezogen. Bei der Übernahme von Mannesmann sei Vodafone nicht derartige Knebel-Verpflichtungen eingegangen. Denn die Briten hätten das Geschäft via Aktientausch erledigt.
Verantwortlich für das Orange-Missgeschick ist laut „Le Monde“ aber nicht die Chefetage von France Télécom, sondern die staatliche Vormacht bei dem Telekom-Riesen. Die Regierung in Paris ließ bisher nicht zu, dass ihr Anteil unter 50 Prozent sinkt. Ob die Lustlosigkeit am Telekom-Markt in den kommenden Wochen überwunden werden kann, erscheint nach dem Orange-Börsengang noch fraglicher als zuvor.
„Das Jahr des Schweigens“ betitelten die Analysten von Salomon Smith Barney eine Telekom-Marktstudie. Danach sind in diesem Jahr auf dem europäischen Mobilfunkmarkt allenfalls 40 Millionen neue Abonnenten zu erwarten, gegenüber 82 Millionen im Vorjahr. Keine gute Zeit für Börsengänge also. Aber nicht nur France Télécom stöhnt unter einem Schuldenberg. Auch British Telecom steht mit 30 Milliarden Pfund (92,2 Milliarden Mark) in der Kreide und wird die Mobilfunk-Tochter BT Wireless an den Markt schieben müssen. Von der Deutschen Telekom (Börse Frankfurt: DTE) wird eine Erklärung zum Börsengang von T-Mobil erwartet. Ursprünglich war der Herbst 2000 anvisiert worden, dann aber verstummte der deutsche Telekom-Riese. Möglicherweise will er erst das „Jahr des Schweigens“ verstreichen lassen.
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