Nur noch 37 Prozent der IT-Spezialisten glauben, ihre Tätigkeit sei auf Dauer durchzuhalten. Lediglich 29 Prozent können nach der Arbeit problemlos abschalten, so das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Die Studie wurde im Rahmen des vom Bundesministrium für Bildung und Forschung (BmBF) geförderten Projektes „Demografischer Wandel und Prävention in der IT-Wirtschaft“ (DIWA-IT) durchgeführt. Die Wissenschaftler haben dazu 331 Mitarbeiter in Unternehmen unterschiedlicher Größe befragt.
Burnout trifft nicht alle in gleichem Maße. Die Forscher identifizierten fünf Risikogruppen: Bei den Projekteinsteigern – meist Berufsanfängern im Projekteinsatz – haben bereits 57 Prozent hohe Burnout-Werte, während dies bei lediglich 13 Prozent der gleichaltrigen Trainees der Fall ist. In den Altersgruppen zwischen 30 und 50 Jahren haben Aufsteiger in neue Position häufig mit Problemen der Rollenfindung und mangelnder Vorbereitung auf die neuen Aufgaben zu kämpfen.
Auch bei den „Mobilen Beschäftigten“, die oft ‚Grenzgänger‘ zwischen Kunden- und IT-Unternehmen sind, zeigen ebenfalls 67 Prozent hohe Werte. Bei den 40- bis 60-Jährigen sind insbesondere die „Mehrstelleninhaber“ und die „Multi-Projektmanager“ betroffen. Sie sind quasi „Diener mehrerer Herren“ und müssen die Anforderungen der unterschiedlichen Projekte individuell für ihre Arbeit in Einklang bringen und die Termine koordinieren.
Wegen des demografischen Wandels nimmt auch in bislang als „jung“ erachteten Branchen wie dem IT-Bereich die Zahl der älteren Mitarbeiter zu: Zwischen 1999 und 2009 stieg der Anteil der über 50-Jährigen von 12,5 auf 18,5 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Anteil der 25- bis 39-jährigen Beschäftigten von 55,9 auf 41,8 Prozent.
Gesundheit mittelfristig hochgradig gefährdet
„Angesichts der zunehmenden Intensivierung der Arbeit in dieser Branche ist es fraglich, ob die Beschäftigten ihr Rentenalter schädigungsfrei erreichen werden, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt. Für eine gute Arbeits- und Leistungsfähigkeit in späteren Erwerbsabschnitten ist die Prävention gesundheitlicher Beeinträchtigungen gerade in den frühen Erwerbsphasen von zentraler Bedeutung“, so Projektleiterin Anja Gerlmaier.
Die IAQ-Forscher haben daher mit den Befragten auch präventive Maßnahmen erarbeitet und erprobt, mit denen einem Burnout gegengesteuert werden kann. Ihrer Ansicht nach helfen bei der Vorbeugung die Unterstützung durch Führungskräfte, die Möglichkeit, Termine und Arbeitsvolumina zu beeinflussen und Pausen während der Arbeit.
Ein häufiges Problem war, dass die Beschäftigten durch Telefonate und Anfragen von Kollegen unterbrochen werden. Dies führt bei konzentrationsintensiven Aufgaben oft auch zu qualitativen Problemen. Als einen Ausweg nennt das IAQ, nach Absprache im Team fallweise bestimmte Stunden für solche Aufgaben zu reservieren. Sinnvoll sei es außerdem, die Bearbeitung von E-Mails und das erledigen organisatorischer Aufgaben auf bestimmte Phasen des Arbeitstages zu konzentrieren. Damit lasse sich ein besser strukturierter sowie insgesamt ruhigerer und effektiverer Arbeitsablauf erreichen.
Die Bedeutung von Pausen
Für wichtig halten sie auch die bewusste Erholung und das Abschalten in den Pausen. Fünf bis zehn Minuten nach etwa anderthalb bis zwei Stunden seien ideal. Dieser Rhythmus trage zur Entspannung und zum Erhalt der Leistungsfähigkeit über den Tag bis in den Feierabend hinein bei. Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass Pausen von vielen Beschäftigten gerade in Phasen hoher Belastung – wenn sie am nötigsten wären – als zeitliche Puffer für die Arbeit angesehen und gestrichen werden.
Nach Aussagen von Projektmitarbeiter Erich Latniak helfen dagegen kollegiale Formen der Pausengestaltung. Zum Erholen und Abschalten seien zudem Entspannungstechniken am Arbeitsplatz und Ausdauersport wichtig.
Am Forschungsverbund DIWA-IT sind neben dem IAQ das Münchner Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) sowie das Büro Moderne Arbeitszeiten beteiligt. Die Ergebnisse der aktuellen IAQ-Studie stehen kostenlos zum Download bereit.
Münchner Studie mit ähnlichen Ergebnissen
Zu ähnlichen Erkenntnissen wie die nordrhein-westfälischen Forscher gelangten auch die am Verbund beteiligten Münchner Wissenschaftler. Sie identifizierten als Gründe für Burnout in der IT im Herbst vergangenen Jahres bereits Arbeitsverdichtung, langen Arbeitszeiten oder dem Zwang zur permanenten Verfügbarkeit. Auch laut den Münchner Tiefeninterviews sind IT-Berater, die viel auf Reisen sind, sowie Projektmanager, die gleichzeitig in mehreren Projekten arbeiten, besonders burnoutgefährdet.
In einem mit gemeinsamen Musterprojekt mit Beiersdorf Shared Services, dem IT-Dienstleister der Beiersdorf AG entwickelten die Münchner Präventionsstrategien. Dabei ging es darum, den Umgang mit der Arbeitszeit zu verändern und vor allem das Image des langen Arbeitens in Frage zu stellen. Das Ergebnis: Rund 85 Prozent der Mitarbeiter haben keine Probleme mehr mit der Arbeitszeit, die Mehrprojektarbeit ist nennenswert reduziert, Pausen sind ein Muss, es gibt Ruhearbeitsräume, Oasen und Tischkicker und die Urlaube werden noch im selben Kalenderjahr genommen.
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Burnout eine schleichende Krankheit
Die Erkenntnisse in diesem Bericht sind ernüchternd. In meiner Umgebung kenne ich sechs Kollegen welche in den vergangenen 2 Jahren von einem Burnout betroffen sind/waren. Alle haben hochqualifizierte Stellungen inne. Alle sind im Altersband 45 bis 55 Jahre. Das Ausmass und die Auswirkungen von Burnout werden von einigen vor allem jüngeren Führungskräften völlig verkannt. 3 meiner Kollegen werden neue Stellen suchen müssen, da sie im angestammten Arbeitsumfeld nicht mehr arbeiten können. Ich finde es wichtig, dass das Verständnis für diese Krankheit wächst, denn jede/r kann von einem auf den anderen Tag betroffen sein.