IT-Produkte für Senioren können in Rente gehen

Während den sogenannten "Digital Natives" unterstellt wird, durch neue Umgangsgewohnheiten mit Technologie über kurz oder lang jede Firmen-IT umzukrempeln, stehen Ältere im Verdacht, das Innovationstempo nicht mehr mitgehen zu können. Das ist einer aktuellen Usability-Studie zufolge jedoch keineswegs der Fall.

Senioren kommen besser mit IT zurecht als vielfach unterstellt (Bild: Hochschule der Medien Stuttgart).
Senioren kommen besser mit IT zurecht als vielfach unterstellt (Bild: Hochschule der Medien Stuttgart).

Speziellen Senioren-PCs, Senioren-E-Mails und Senioren-Handys blieb der große Erfolg bisher versagt – obwohl es an Bemühungen und Anläufen, sie im Markt zu platzieren, nicht gefehlt hat. Womöglich sind solche Produkte aber einfach unnötig.

Dieser Frage ist jetzt die Hochschule der Medien Stuttgart und die User Interface Design GmbH aus dem benachbarten Ludwigsburg nachgegangen. Sie haben untersucht, ob Senioren oder Menschen, die dafür gehalten werden, spezielle technische Geräte benötigen, oder ob sie vielleicht einfach auch mit gut durchdachten, „normalen“ Geräten zurechtkommen.

In der Studie standen drei interaktive Alltagsgeräte – ein DVD-Festplattenrekorder, eine Digitalkamera und ein iPod Touch – sowie der Multitouch-Tisch Surface im Mittelpunkt. Das Ergebnis: Ältere Nutzer haben zwar mehr Probleme bei der Bedienung, diese sind jedoch lange nicht nicht so gravierend, wie bisher angenommen.

„Beim Lösen der Aufgaben zeigten die Jüngeren zwar häufiger ein systematisches Vorgehen. Aber eine hoch ausgeprägte Ängstlichkeit gegenüber der Technik haben wir bei den Senioren nicht beobachtet. In beiden Altersgruppen gab es sowohl Personen, die unsicher und zögerlich handelten, als auch Teilnehmer, die sehr zielstrebig waren“, beschreibt Jenny Vayhinger, Usability Engineer bei UID und Mitautorin der Studie, das Verhalten der Testteilnehmer.

Grund für die geringfügig größeren Bedienprobleme älterer Nutzer sei nicht mangelndes Interesse an Technik: „Im Alter verändern sich vielmehr bestimmte Verhaltensmuster. Diese erschweren das Ausprobieren neuer Technik“, sagt Professor Michael Burmester, ebenfalls Mitautor der Studie. Zudem besäßen ältere Menschen ein anderes technisches Vorwissen.

Beispielsweise hatten die älteren Testteilnehmer Probleme, eine Adresse in den iPod Touch einzutragen. Grund: Sie verstanden den Begriff „Kontakte“ nicht, der dort für das Adressbuch verwendet wird. Jüngere Testteilnehmer waren mit ihm dagegen vertraut.

Spezielle Seniorenprodukte braucht der Markt dennoch nicht. Die Hersteller interaktiver Produkte sollten ihre Geräte vielmehr so entwerfen, dass sie auch den Anforderungen älterer Menschen gerecht werden, jedoch ohne dabei die Ästhetik zu vernachlässigen. Davon profitierten dann alle Altersgruppen. „Ältere Menschen sind ein guter Maßstab, um zu beurteilen, wie benutzungsfreundlich Produkte gestaltet sind“, so Burmester.

Bedienungsfreundliche Produkte sind automatisch seniorengerecht

In einer (nach Registrierung) kostenlos zum Download stehenden Präsentation der Studienergebnisse stellen die Experten auch einige Gestaltungshinweise zusammen. Beispielsweise ist bei der Funktionsweise sowie der Wahl der verwendeten Begriffe und Interaktionsmittel darauf zu achten, dass auf den generellen Erfahrungen älterer Benutzer und deren Erfahrungen aus dem Umgang mit anderen Geräten aufgebaut wird. Dadurch reduziere sich das zu erlernende Wissen und werde die Nutzung von Technik leichter.

Wichtig sei es weiter, dass sich Nutzer während der Bedienung nur wenige Informationen merken müssen. Darüber hinaus sollten nur die Informationen dargestellt werden, die zur Erfüllung der momentanen Aufgabe benötigt werden. Gerade ältere Nutzer empfänden eine große Anzahl grafischer Elemente auf dem Bildschirm als belastend.

Wiederkehrende Menümuster beziehungsweise Dialogbausteine helfen, eine durchgängig einheitliche Interaktionen zu ermöglichen und damit Hürden abzubauen. Zudem übersehen ältere Menschen offenbar leicht, wenn Bildschirminhalte schnell wechseln. Und schließlich sollten Informationen auf dem Display kontrastreich und groß genug dargestellt werden – mindestens mit einer Buchstabenhöhe zwischen 4 und 6 Millimetern.

Das klingt für mich alles nicht so, als ob spezielle Geräte benötigt werden: Eine klare, gut strukturierte Menüführung und eventuell die Möglichkeit, Kontrast und Buchstabengröße via Software auf dem Display anzupassen, reichen aus. Für Personen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen sind dennoch Spezialgeräte, zum Beispiel mit extra großen Tasten oder ganz anderen Bedienkonzepten, sicher sinnvoll. Aber das ist schließlich ein anderer Markt. Ich würde mich jedenfalls freuen, von „seniorengerechten“ Produkten ebenfalls profitieren zu können. Und Sie?

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