Vor rund vier Jahren hat Microsoft mit der Beta der ersten Version von Hyper-V, damals noch einem Add-on zu Windows Server 2008, erste zaghafte Versuche gemacht, der Dominanz von VMware bei x86-Virtualisierung etwas entgegenzusetzen. Bereits damals zeigte sich, dass Hyper-V einige attraktive Features hatte. Experten gaben der Technologie deshalb von Anfang an gute Chancen – insbesondere in Firmen, die eine Vielzahl anderer Microsoft-Produkte einsetzen.
Die Leistung von Hyper-V war eigentlich von Anfang an gut. Ebenso das Preis-Leistungsverhältnis – was aber angesichts der sehr teuren VMware-Lizenzen und der Strategie von Microsoft, Hyper-V quasi als Bonus kostenlos draufzulegen, auch nicht allzu schwierig war. Dennoch fehlten dem Microsoft-Produkt noch eine Reihe von Schlüsselfunktionen, um es als vollwertigen Konkurrenten zum VMware-Portfolio bezeichnen zu können. Besonders was das Management virtueller Infrastrukturen und die Hochverfügbarkeit anbelangte, hatte VMware die Nase vorne. Microsoft machte daher Boden bei kleinen und mittelgroßen Firmen gut, tat sich aber bei Großunternehmen schwer.
VMwares Thron wackelt
2012 ist VMware daher für Großunternehmen nach wie vor die Plattform der Wahl, wenn es um x86-Virtualisierung geht. Seine von zahlreichen Marktforschern und Statistiken bestätigte technologische Führungsposition scheint sicher zu sein. Aber irgendwann im Lauf dieses Jahres, wenn Windows Server 8 sowie das dazugehörige Desktop-OS auf den Markt kommen, könnte sich das ändern.
Ausgehend von der jetzt verfügbaren Beta von Windows Server 8 kann man sagen, dass Windows Server und Hyper-V dann bei den von Firmen erwarteten Virtualisierungsfunktionen mit VMware vSphere gleichziehen werden. Außerdem deutet sich an, dass Microsoft den Konkurrenten in einigen Aspekten sogar übertreffen wird und die Möglichkeiten einiger anderer VMware-Produkte, die nur als teure Add-ons oder als ebenfalls kostspielige Ergänzungen von Drittanbietern verfügbar sind, gleich mitliefern wird.
VMware dominiert mit seinem Hypervisor sowohl bei Servervirtualisierung als auch VDI-Installationen den Markt (Grafik: V-Index.com, Stand Q3/2011).
Die im September 2011 vorgestellte Developer Preview von Windows Server 8 war schon recht vielversprechend. Auf die damit eingeführten wichtigen Features und Funktionen soll hier nicht mehr eingegangen werden. Sie sind hinreichend bekannt oder können hier nachgelesen werden. Denn auch so ist die Liste der Dinge, die neu, wichtig und interessant sind, schon lang genug.
- VMs, die unter Hyper-V laufen, können bis zu 1 Terabyte Speicher ansprechen. Das ist rund das Doppelte von dem, was das vorausgegangene Test-Release geschafft hat.
- Außerdem kann eine einzelne VM nun bis zu 64 Terabyte virtuelle Storagekapazität verwalten. Die lassen sich entweder herkömmlich („thick“) oder sparsam mittels Thin Provisioning zur Verfügung stellen. Das ist sogar das Vierfache der 16 Terabyte pro VHDX-File im Developer-Release.
- Windows 8 Server Beta unterstützt bis zu 160 logische Prozessoren pro Hyper-V-Host. Außerdem sind 1024 VMs pro Host, 64 Nodes pro Cluster, 4000 VMs pro Cluster sowie 32 virtuelle Prozessoren pro VM möglich.
- Das Clustering von Hyper-V-Servern wurde seit dem Developer Release ebenfalls deutlich verbessert. Beispielsweise sind nun auch virtuelle Fibre-Channel-Adapter möglich.
- ReFS (Resilient File System), ein komplett neues Dateisystem, arbeitet deutlich zuverlässiger als NTFS. Es entdeckt und korrigiert Fehler bei den Metadaten automatisch. Zudem ist es besser für die Hochverfügbarkeit virtualisierter Workloads gerüstet – insbesondere, in Verbindung mit Storage Spaces, zu Pools zusammengefasste Laufwerke.
- Volume Shadow Copy Services (VSS) sind nun auch für entfernte File-Shares möglich. Außerdem lassen sich Daten auf unterschiedlichen Ebenen verschlüsseln. Dieses Feature ist Teil des Betriebssystems und erfordert weder IPSec noch spezialisierte Hardware, etwa WAN-Bechleuniger.
- Mit SMB Directory Leasing verbessern sich die Antwortzeiten von Anwendungen in Zweigstellen. Dafür wurde unter anderem die Anzahl der bei der Kommunikation zwischen Client und Server notwendigen Round-Trips reduziert – was ein altes Problem in Microsoft-Umgebungen aus der Welt schafft.
- Was Microsoft als Primary Computers ankündigt, ist eigentlich eine Verbesserung von zwei schon bekannten Features: Folder Redirection und Roaming-Profile. Mit Primary Computers will Microsft Sicherheitsbedenken ausräumen. Die Funktion erlaubt Administratoren, im Active Directory für Anwender einen hauptsächlich genutzten Computer festzulegen.
- Es klingt zwar komisch, ist aber nützlich: Mit dem Always-Offline-Feature können Anwender dauernd in den Offline-Modus versetzt werden. Dadurch arbeiten sie mit Dateien im Cache statt im Netzwerk – jedoch ohen einen sprübaren Performanceverlust. Auch praktisch: Cost Aware Synchronization trackt automatisch Roamingvorgaben und Bandbreitenbegrenzungen. Es hilft dadurch zu vermeiden, dass es zu unerwartet hohen Kosten für die Datenübertragung kommt.
- Ein neuer Online-Backup-Service von Microsoft erlaubt es, Daten in Microsofts Public Cloud zu sichern und einen Restore von jedem Ort aus durchzuführen. Inwieweit das Feature von deutschen und europäischen Kunden angenommen wird, bleibt abzuwarten. Möglicherweise bessert Microsoft für diese Klientel auch noch einmal nach, um deren Compliance-Anforderungen besser zu entsprechen.
- Voice-Over-IP-Integration mit Remote Desktop Services and RemoteFX (serverseitige VDI und GP-Beschleunigung) macht Audio- und Videokonferenzen mit virtualisierten Desktops auf Thin Clients in vernünftiger Qualität möglich. Die Metro-Oberfläche steht zudem nun auch für Windows-8-VDI-Anwendungen zur Verfügung. Auch der Remote Desktop Client ist in Windows 8 nahtlos in das Metro-Konzept eingebunden.
- Verbesserte Deduplizierungstechnologien im Betriebssystem bringen eine deutliche Reduzierung des Overheads, wenn Daten in ähnlicher Form gespeichert werden.
- Offloaded Data Transfer (ODX) in Windows Server 8 nutzt SAN-Array-Offload-Features, um die Performance deutlich zu verbessern, sowie I/O zu und vom Server zu reduzieren, ohne CP-Rechenzyklen zu bemühen. ODX wird in Hyper-V unter anderem für Live Migration genutzt. Voraussetzung ist, dass das verwendete Storage-Array Hardware-Offload unterstützt.
Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Und auch wenn macnhe Punkte nur Details zu sein scheinen, so sind sie doch alle wichtige und tragen zum deutlich verbesserten Gesamtbild bei.
Vom Feature zum Architekturprinzip
Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass die mit Windows Server 8 gebotenen Möglichkeiten für Virtualisierung und das Management virtualisierter Umgebungen nicht nur Features des Betriebsystems sind. Beides bildet vielmehr einen integralen Bestandteil der Infrastruktur von Windows Server 8. Man könnte sogar Windows 8 Server auf VMware laufen lassen, würde dann aber auf die Integration der neuen, rollenbasierenden Verwaltungsoberfläche verzichten müssen. Dasselbe gälte für die PowerShell-Scripting-Sprache, die mit ihren Ausläufern bis in den Hypervisor sehr feine Einstellungen für jede VM erlaubt und vorgibt, welche Rolle jede VM in der jeweiligen Umgebung zu spielen hat.
Windows Server 8 unterscheidet von vorangegangenen Versionen des Betriebssystems, dass Microsoft den neuen „Server 8 Core“ nun als bevorzugte Methode sieht, um virtuelle Instanzen des Betriebssytems zu installieren. Daher beginnt man im Grunde mit einem abgespeckten Kern des OS und ergänzt diesen um die von ihm für seine Aufgabe tatsächlich benötigten Funktionen, etwa IIS, SMB, Active Directory Domain Controller, DNS, DHCP, Printserver oder anderen.
Einen virtuellen Windows-Server bereitzustellen ist nicht mehr viel schwerer, als mit einem Wizard Teile von einer Liste auszuwählen, die in der VM integriert werden sollen, oder via Skript eine beliebige Anzahl von „Commandlets“ in PowerShell einzubauen, wenn man dies in größerem Maßstab und automatisiert tun will. Wie die Management-Oberfläche dafür aussieht, hat übrigens Sean Gallagher bei Ars Technica gut erklärt.
Windows 8 Server und Linux
Dieser minimalistische, komponentenzentrische Ansatz unterscheidet sich erheblich von dem, was man in den vergangenen Jahren von Microsoft gewohnt war. Er ist aber deutlich effizienter und bietet ein bisher nicht gekanntes Maß an Kontrolle sowie eine extrem enge Integration in den Management-Stack des Betriebsystems. Und das ist etwas, mit dem VMware heute nicht aufwarten kann.
Die Frage ist, ob große Firmen in all diesen neuen Features genügend Vorteile sehen, um sich auf Microsofts Weg einzulassen. Spannend wird noch, ob Microsoft auch die Linux Integration Services in Server 8 verbessert. Die Integration von VMware mit Linux ist ausgezeichnet. Sie erlaubt hoch skalierbare Linux-VMs, bietet sehr gute Leistung virtueller Prozessoren mit RHEL und SLES. Microsoft unterstützt aber sogar auch Open-Source-Betriebssysteme, etwa Ubuntu.
Jedes Unternehemn, dass in gewissem Umfang in Linux investiert hat, von Grund auf mit einer gewissen Heterogenität zurechtkommen muss, und bisher auf VMware vSphere gesetzt hat, wird sich hüten, ein weiteres Virtualisierungs-Silo aufzubauen, um die Microsoft-Infrastruktur zu betrieben. Daher könnte es für Microsoft wichtig sein, Linux für Hyper-V einen bevorzugten Status einzuräumen. Ein erster Schritt ist bereits getan: Laut Jeff Woolsey, Microsofts Virtualisierungs-Chef, wird der kommende Linux-Kernel 3.4 Hyper-V-Treiber enthalten. Das heißt, dass Linux-Distributionen auf dessen Basis, wenn sie unter Hyper-V virtualisiert sind, keine zusätzlichen Treiber mehr benötigen, so wie das bei VMware der Fall ist.
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