Vergangene Woche haben die Fraktionen von CSU und SPD im Münchner Stadtrat über den Verwaltungs- und Personalausschuss einen Antrag (PDF) eingebracht, mit dem die Leitlinien für die Neuorganisation der kommunalen Informations- und Kommunikationstechnik festgelegt werden sollen. Wie Heise.de berichtete, geht aus dem Antrag zwischen den Zeilen auch hervor, dass es für das Open-Source-Projekt LiMux danach kaum noch Chancen für einen langfristigen Fortbestand gibt.
Die ursprüngliche Formulierung, bis spätestens 2020 sei ein einheitlicher städtischer Standard“ für „intern und extern kompatible, moderne Bürosoftwareanwendungen“ zu erarbeiten, wurde nun so abgewandelt, dass LiMux kaum noch eine Chance haben dürfte. Dem Bericht zufolge soll nun zunächst ein neuer „Windows-Basis-Client“ entwickelt und bis Ende 2020 eine „stadtweit einheitliche Client-Architektur“ entwickelt werden, bei der für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsprogramm, PDF-Reader, E-Mail-Client und Browser auf „marktübliche Standardprodukte“ zu setzen ist. Die Anwendungen auf dem Desktop sollen dabei „höchst möglich“ zu anderen Software-Produkten wie SAP kompatibel sein. Dem auf Ubuntu und dem KDE-Desktop basierenden LiMux-Client wird nur noch eine Gnadenfrist bis 2021 eingeräumt.
Die Pläne haben jetzt gegenüber Heise.de Politiker von Grünen, den Piraten und Open-Source-Vertreter heftig kritisiert. Sie bezeichnen sie als „hirnrissig“, bemängeln, dass es weder eine nachvollziehbare Begründung noch eine Ausschreibung gebe und fürchten Kosten in Millionenhöhe. Für die Tatsache, dass es mit dem Linux-Projekt in München immer wieder Schwierigkeiten gegeben hatte, machen sie nicht die Open-Source-Software, sondern die schlechte Organisation der städtischen IT-Abteilungen verantwortlich.
Stadtrat Florian Roth von den Grünen erklärte gegenüber Heise.de: „Viele Millionen verlorene Kosten des Linux-Projekts, Millionen an Lizenz- und Umstellungskosten sowie die Verschwendung von Zeit und Ressourcen durch die Konzentration auf ein nicht zeitgemäßes Rollback werden die Konsequenz sein.“ Alleine bis 2013 seine durch den Umstieg auf Linux Lizenzgebühren in Höhe von elf Millionen Euro eingespart worden. Allerdings wurden auch rund 14 Millionen Euro in das Projekt investiert, etwa für die Gehälter der 60 bis 70 städtischen Linux-Programmierer. Diese Investitionen wären bei einer Rückmigration zum-Windows-Client verloren. Laut Roth würde zudem der durch die Migration auf Windows erforderliche Austausch von PCs mindestens 15 Millionen Euro kosten.
München stellte als erste deutsche Großstadt rund 15.000 Computer von Windows auf Linux um. Das Projekt mit Linux und Open Source war in der Stadtverwaltung lange und heftig umstritten. Auch Microsoft opponierte intensiv dagegen – teils mit recht durchsichtigen und windigen Argumenten. Offenbar fürchtete man, dass das Beispiel Schule machen könnte. Größtes Problem waren in München und anderswo immer das Zusammenspiel mit den Fachanwendungen.
Thomas Ranft von den Piraten bezeichnet den Schritt gegenüber Heise.de als „katastrophale Fehlentscheidung“. Die IT der Stadtverwaltung habe kein Open-Source-Problem sondern „ein Strukturproblem“. Auch Matthias Kirschner, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE) sieht die Schuld für die zahlreichen Probleme in der Münchner IT nicht bei der verwendeten Open-Source-Software. Schließlich würden „unzählige Unternehmen zeigen, dass es geht“ und auch anderen deutschen und europäischen Städten arbeiteten erfolgreich mit Linux. Beispiele dafür sind Mannheim, Schwäbisch Hall, Turin, Valencia (dort allerdings in Schulen, nicht in der Stadtverwaltung selber) und Toulouse.
Bereits 2014 prüfte die Stadt München eine Rückkehr zu Microsoft. Begründet wurde das damit, dass die Nutzer mit der Bedienung unzufrieden seien. Eine Expertengruppe sollte damals den Wechsel zurück zu Windows überprüfen. Allerdings stand damals der Stadtrat noch hinter LiMux und lehnt eine Rückkehr zu Windows strikt ab. Im selben Jahr ergab eine Anfrage des Stadtrats, dass München allein für Windows-7-fähige Hardware über 3 Millionen Euro ausgeben müsste. Dazu kämen dann noch Kosten für Lizenzen und Infrastruktur. Oberbürgermeister Reiter führt die Probleme in der IT der Stadt damals nicht auf Linux zurück.
Kurz darauf sorgte ein tagelanger Mail-Ausfall jedoch für erheblichen Ärger und offenbar einen Stimmungswandel beim Oberbürgermeister. Er kündigte an, das städtische IT-System von einem externen Gutachter überprüfen zu lassen. Der LiMux-Basis-Client, der im Wesentlichen aus OpenOffice, Thunderbird und Firefox besteht, wurde von der TÜV-IT allerdings schon zuvor einmal als „gebrauchstauglich“ zertifiziert.
2015 regte sich dann aus der CSU-Fraktion erneut Kritik an dem Linux-Projekt. Ihre mit Linux ausgerüsteten mobilen Rechner seien nur „sehr eingeschränkt benutzbar“ beschwerten sich zwei Stadträte in einem Antrag. Für sie sollten daher neue Windows- und Office-Lizenzen nachgekauft werden. Im November 2016 wurde dann ein Gutachten von Accenture vorgelegtTipp: Wie gut kennen Sie sich mit Open Source aus? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.
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14 Kommentare zu Es wird eng für das Linux-Projekt der Stadt München
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„Es kommt halt darauf an, dass man es einfach beherrscht“
Auszug aus dem Interview unter SWR.de
Mit der Überschrift „Stadt hält an LINUX fest“
Interviewpartner: EDV-Leiter Horst Bräuner in Schwäbisch Hall
Eher sollte man die pragmatisierten Leute austauschen, als das funktionierende System. Gäbe sicher eine schöne Kostenersparnis.
Warum werden eigentlich IMMER diese total hirnrissigen Hardware Anschaffungen angeführt? Jeder der Linux PCs die in den Verwaltungen stehen kann auch Windows ausführen. Das ist ein Glaubenskrieg der ganz einfach berechnet werden könnte wenn nicht nur Leute in den Gremien sitzen würden die in ihrem Leben noch nie was gearbeitet haben.
Der große Witz daran ist ja noch, dass die normale Userbasis (also nicht die 3 Chefs, welche kein Laptop mit Linux wollen) wohl mittlerweile (klar, dass es am Anfang Probleme mit der Umstellung gab) recht zufrieden mit dem Linux Client sind. Es liegt also nicht daran, dass die User an den 15.000 Clients nicht mit Linux klar kommen. Viele Probleme sollen laut anderen Artikeln auch nicht am Client selber oder der Linux Basis, sondern an der Software von Drittanbietern liegen. München muss extra dafür aktuelle Windows Clients (es dürfen keine Vitalisierungen sein!) bereitstellen und nur wenn sich Fehler vom Linuxsystem auch auf den Windows Installationen nachstellen lassen, erkennen die Softwarehersteller den Fehler an und werden tätig… Der amtierende Oberbürgermeister ist auch bekennender Windows Fan und treibt die Umstellung voran. Und siehe da, die Deutschland Zentrale zieht plötzlich nach München rein. Zu Frau Aigner (Modellautoaffäre von Fr. Haderthauer) sage ich mal nichts. Immer wieder schön zu sehen, wie unsere Politiker problemlos mit Steuergeldern um sich werfen können. Und wenn es bei der nächsten Wahl dann kracht, sind sicher wieder alle Anderen schuld…
Das hat nichts mit Windows Fan zu tun, es gibt Usersupport von Drittfirmen nunmal nur für Windows Installationen. Dafür sind sie zertifiziert, da führt kein Weg dran vorbei. Die einzige Möglichkeit wäre, sämtliche benötigte Software auf Linux neu zu erschaffen, aber die Programmierkosten hierfür wären Faktor 1000 mal so hoch wie die initialen Lizenzkosten für proprietäre Software. Deswegen benutzen auch 95% der in Deutschland ansässigen Unternehmen Drittanbieter Software, denn dort sitzen im Gegensatz zur Politik Menschen die rechnen können.
Wir bauen auf und reissen nieder – so haben wir Arbeit immer wieder.
Das ist eine alte Methode. Und die Firma Accenture (die per „Gutachten“ diese Rolle rückwärts empfielt) verdient schliesslich eine Menge Geld mit sowas. Also seid mal nicht neidisch. Es lebe der Neoliberalismus!
linux wird von nutzern mit höheren bildungsabschluss genutzt. cern, internetserver raumstation iss. linux ist nix für menschen die sich mit hippen grafiken darstellen wollen. linux ist einfach nur ein arbeitsmittel..mehr nicht. wer alle neuesten apps mit ungestester software backdoors und horrenden licenckosten haben will.. der neigt eher dazu alle 2 jahre neue handys zu kaufen. linux ist eine bildungssache. entweder man will es oder nicht.
[…]Linux hat nix aber auch gar nix mit der Höhe des Bildungsabschlüsse zu tun !!!
LINUX ist definitiv eines der besten Betriebssysteme, aber man muß sich leider viel stärker damit auseinander setzen als mit den beiden Führenden PC-OS. Dazu sind sehr wenige bereit, sonst hätte sich Linux auch auf Handys durchgesetzt, hat es aber nicht. Es musste in Form von begrenztem Android auf den Markt gebracht werden, damit es angenommen wurde.
Auf Großrechnern, wie zum Beispiel CERN und auch auf der Raumstation ISS, gibt es gar keine Alternative zu Linux (bzw. Unix), also die mal schnell runter von der Liste. Bei den Internetservern ist es vor allem eine Preisfrage, denn man braucht für Linux geringere Hardwareanforderungen und das OS ist auch günstiger in der Lizensierung. Alles in allem ist Ihre Aussage extrem undurchdacht, und fast schon auf dem Niveau eines Fanboys einer ganz bestimmten Computerfirma ( die übrigens auch auf UNIX basiert )
Und wenn man jetzt noch die Sicherheit anbringt, so sei dazu gesagt, es gibt kein sicheres System, außer es ist von Außen nicht erreichbar und man bedient es alleine.
„als mit den beiden Führenden PC-OS“: Windows und Windows :-)
Nein, sondern Windows und MacOS zwar mit deutlichem Abstand, aber das am häufigsten genutzte nicht Windows-OS.
„Denn sie wissen nicht was sie tun, sie fangen aber schon mal an…“
Jahr 2003. M hat eine veraltete NT-Installation. Die Frage des Nachfolgers wird politisch (Linux) statt rational und wirtschaftlich (XP) entschieden.
Damals war die Entscheidung FALSCH.
Jahr 2017. Nun hat man in Linux Mio. EUR investiert. Es gibt Probleme jedweder Art. Anstatt Analyse zu betreiben und auf Basis des Bestehenden (Linux) die Probleme zu lösen folgt nun die komplette, sehr teure Rolle rückwärts, die mitnichten die nicht-technischen Probleme (falsche IT-Organisation, falsche IT-Strategie, falsche IT-Architektur, falsche IT-Prozesse, etc.) lösen wird. Auch das wird wieder viele Mio. EUR des dortigen Steuerzahlers kosten.
Und wieder – Geschichte wiederholt sich – wird jetzt die FALSCHE Entscheidung getroffen.
Die (fiktive) Stadt Schilda zieht nun in München permanent ein. Mir san mir.
Das alles zu Lasten der Steuerzahler. Der Dumme wird es schon bezahlen…wie immer.
Inzwischen verkommen Schulen, Kinder-Spielplätze und Straßen sowie Brücken. Sowie der Daten-Schutz. Das wurde auch in der aktuellen Entscheidung auch nicht berücksichtigt. Wie vieles andere.
M – ihr habt diese Politiker wirklich verdient und gewählt. Lebt damit, oder ändert es rasch.
Ich sortiere das für mich in die lange Liste ein mit der in Deutschland (auch) durch politische Inkompetenz die Chance vergeben wurde mal wieder technologisch ganz vorne zu sein oder durch eine Besonderheit eine Marktnische zu finden.
( z.B. Transrapid, Cargo-Lifter, Solarenergie, Datenschutz vs. Big Data )
Lange werden wir nicht mehr mit alten Technologien unseren Wohlstand halten können. Dieselgate sehe ich auch schon als Anzeichen dafür.
Warum gibt es proprietäre Software? Weil Programmierer eine riesige Menge Geld kosten. 90% der deutschen Unternehmen erfinden das Rad nicht neu sondern setzen auf bewährte Lösungen, weil die Lizenzkosten auch wenn sie anfangs als hoch erscheinen bei weitem geringer sind, als die Personalkosten die Programmierarbeiten verschlingen. Zusätzlich hat man einen Partner den man im Fehlerfall verklagen kann. Bei Marke Eigenbau bleibt man auf den Kosten sitzen. Das weiß jeder der sich schonmal mit dem Thema beschäftigt hat.
Das ganze kriegt spätestens dann ein Geschmäckle, wenn man sich an den Umzug der Deutschlandzentrale von Microsoft aus der Umgebung von nach München erinnert.
Es würde mich nicht wundern, wenn einige der Entscheider nach Beeindigung ihrer Politikerkarrierr in den nächsten Jahren irgendwelche Berater Pöstchen im Umfeld von Microsoft annehmen.
Das riecht doch arg nach unfairer Lobbyarbeit.