Verliert online erworbene Ware durch eine Prüfung durch den Käufer an Wert, muss der Verkäufer bei Rückgabe dennoch den vollen Preis erstatten (Bild: ZDNet).
Der Bundesgerichtshof hat sich erneut auf die Seite von Onlinekäufern gestellt: Der VIII. Zivilsenat entschied gestern, dass ein Käufer beim Widerruf eines Fernabsatzvertrags trotz eines möglicherweise eingetretenen Wertverlusts den vollen Kaufpreis zurückverlangen kann, wenn er die Ware nur geprüft hat (Aktenzeichen VIII ZR 337/09).
Im verhandelten Fall ging es um einen im August 2008 per E-Mail geschlossenen Kaufvertrag über ein Wasserbett zum Preis von 1265 Euro. Der Shopbetreiber, der Wasserbetten über das Internet zum Verkauf anbietet, hatte dem Käufer diesen per E-Mail als angehängte PDF-Datei übersandt. Im Text ist eine Widerrufsbelehrung enthalten. Weiter heißt es: „Im Hinblick auf die o. g. Widerrufsbelehrung weisen wir ergänzend darauf hin, dass durch das Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine Verschlechterung eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern ist.“
Das Wasserbett wurde gegen Barzahlung beim Käufer angeliefert. Dieser baute es auf und befüllte die Matratze mit Wasser. Anschließend übte er sein Widerrufsrecht aus. Nach Abholung des Wasserbetts forderte er vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises. Der erstattete aber lediglich einen Betrag von 258 Euro: Das Bett sei nicht mehr verkäuflich, lediglich die Heizung im Wert von 258 Euro sei für ihn noch verwertbar.
Das Amtsgericht Berlin-Wedding hatte der Klage des Käufers auf Rückzahlung des restlichen Kaufpreises von 1007 Euro stattgegeben (Aktenzeichen 17 C 683/08) und das Landgericht Berlin die Berufung des Verkäufers zurückgewiesen (Aktenzeichen 50 S 56/09). Die dagegen gerichtete Revision des Verkäufers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Deshalb hatte er sich an das oberste Gericht gewandt.
Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass bei einem fristgerecht erklärten Widerspruch des Verbrauchers beim Fernabsatzvertrag die empfangenen Leistungen von den Vertragsparteien zurückzugewähren sind. Wenn die Ware sich verschlechtert hat oder sogar – wie es juristisch heißt – „untergegangen“ ist, muss statt der Rückgabe Wertersatz geleistet werden. Verbraucher müssen auch für eine durch „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“ entstandene Verschlechterung Ersatz leisten. Die Wertersatzpflicht besteht jedoch nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. Das, so das Gericht, sei bei dem Befüllen des Wasserbettes der Fall.
Bereits 2004 hatte der Bundesgerichtshof ein ähnliches Urteil gefällt. Damals hatte ein Käufer gegen einen Online-Versandhändler geklagt, weil dieser ein nur teilweise geliefertes Notebook nicht zurücknehmen und den vollen Kaufpreis inklusive Porto erstattet haben wollte. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat ein Käufer aber auch dann die Möglichkeit, sein online bestelltes Notebook zurückzugeben, wenn es individuell für ihn zusammengebaut wurde.
Update 14 Uhr 15
Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) hat das Urteil in einer ersten Stellungnahme kritisiert: Online- und Versandhändler seien keine kostenlosen Verleiher von hochwertiger Ware. Das Risiko, dass selbst hochwertige Neuware nach dem „Ausprobieren“ und dann der Ausübung des Rückgabe- und Widerrufsrechts durch den Kunden wertlos wird, trage allein der Online- oder Versandhändler. So werde sogar Missbrauch des Rückgaberechts Vorschub geleistet.
„Es kann nicht sein, dass in einem europaweiten, alltäglichen Massengeschäft, wie es der Online- und Versandhandel mittlerweile ist, andere Maßstäbe gelten sollen als sonst im Handel“, sagt BVH-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer. „Durch moderne Technik wie Produktvideos, virtuelle Anprobe oder Rundum-Ansichten, detaillierte Produktbeschreibungen, Webcams zur Live-Kundenbetreuung, Benutzerforen und vieles andere kann sich der Kunde heute im Netz oft besser vor dem Kauf über die Ware informieren als im personell oft immer weiter ausgedünnten Stationärhandel.“
Der BVH setzt sich deshalb dafür ein, die gesetzliche Regelung zum Wertersatz europaweit so zu konkretisieren, dass zukünftig im Online- und Versandhandel nur noch eine „Prüfung der Sache, so wie auch im Ladengeschäft üblich“ zulässig ist. Schwarze Schafe, die sich daran nicht halten, müssten Wertersatz leisten.
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1 Kommentar zu Bundesgerichtshof stärkt erneut Rechte von Onlinekäufern
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zu Tode schützen
Auf den ersten Blick, müsste man sich als Verbraucher jetzt freuen. Das Problem ist nur, dass die Kosten ja trotzdem entstehen. Die Kosten für die Produkte, die nach einer Rücksendung nicht mehr verkauft werden können (wie das Wasserbett und individuell zusammengebauten Notebooks) werden dann halt auf alle Verbraucher umgelegt. Das Unternehmen hat ja gar keine andere Chance. Und die Versand- und Abwicklungskosten kommen ja auch noch oben drauf.
Da braucht man sich nicht wundern, dass die Preise in der EU deutlich höher sind als z.B. in den USA.
Wer so was im Versandhandel kauft, sollte vorher genau prüfen ob er es will. Ich als Verbraucher, will nicht für Leute mit bezahlen, die mal eben hier und dort Sachen kaufen, nur um sie wieder zurück zu schicken.
Für mich fügt sich das gut in das Bild einer überbordenden Bürokratie, die uns noch alle zu Tode schützt.
Hallo,
inzwischen (14 Uhr 15) hat der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) eine Stellungnahme zu dem Urteil abgegeben. Darin werden die von Ihnen angesprochenen Punkte ebenfalls kritisiert. Die Meldung wurde am Ende des Textes entsprechend ergänzt.
Peter Marwan
ZDNet-Redaktion