Unternehmer sollen künftig von einem Verbraucher im Falle des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages nur dann Wertersatz erhalten können, wenn dieser „die gelieferte Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.“ Einen entsprechenden Gesetzentwurf (PDF) hat der Rechtsausschuss des Bundestags gestern mit Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Damit gilt die Verabschiedung des Papiers durch den Bundestag als sicher.
Die Gesetzesänderung wurde notwendig, weil der Europäische Gerichtshof Anfang September 2009 moniert hatte, dass deutsche Regelung einer europäischen Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom Mai 1997 widerspricht. Laut der deutschen Regelung konnte ein Unternehmer von einem Verbraucher für die Nutzung der im Fernabsatz verkauften Ware bei fristgerechtem Widerruf generell Wertersatz verlangen. Dadurch kam es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten und Unklarheiten.
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Wertersatz im Fall des Widerrufs eines Fernabsatzvertrags entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs auszugestalten. Außerdem werden die Paragrafen 358 und 359a des Bürgerlichen Gesetzbuchs umformuliert und in 312f eine eigenständige Vorschrift für Verträge geschaffen, die Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen betrifft.
Die geplante Gesetzesänderung bringt es mit sich, dass Händler ihre Kunden auf die Regelung hinwiesen und sie auf ihr Widerrufsrecht aufmerksam machen. Die dafür angebotene Muster-Widerrufsbelehrung des Bundestages wird ebenfalls angepasst.
Die Kanzlei Ferner empfiehlt Onlinehändlern, ihre Widerrufsbelehrung zu prüfen beziehungsweise ihren Anwalt auf die kommenden Änderungen anzusprechen. Sie macht zudem darauf aufmerksam, dass für die Regelungen keine Übergangszeit vorgesehen ist: Shopbetreiber haben nur vom Tag der Verkündung an bis zum Beginn des nächsten Tages Zeit, die Änderungen umzustellen. Die Kanzlei kritisiert, dass dadurch Händler nahezu gezwungen sind, exakt um 0 Uhr umzustellen, da sie ansonsten zwangsläufig für einen kurzen Zeitraum eine falsche Belehrung anbieten.
Bereits im November vergangenen Jahres hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Käufer beim Widerruf eines Fernabsatzvertrags trotz eines möglicherweise eingetretenen Wertverlusts den vollen Kaufpreis zurückverlangen kann, wenn er die Ware nur geprüft hat (Aktenzeichen VIII ZR 337/09). Im verhandelten Fall ging es um einen im August 2008 per E-Mail geschlossenen Kaufvertrag über ein Wasserbett.
Der Shopbetreiber hatte in seiner Widerrufsbelehrung darauf hingeweisen, „dass durch das Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine Verschlechterung eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern ist.“ Dies wollte ein Berliner Verbraucher so nicht hinnehmen. Das Amtsgericht Berlin-Wedding gab seiner Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises statt (Aktenzeichen 17 C 683/08) und das Landgericht Berlin wies die Berufung des Verkäufers zurück (Aktenzeichen 50 S 56/09). Da auch die dagegen gerichtete Revision des Verkäufers keinen Erfolg hatte, wandte er sich an das oberste Gericht.
Der Bundesgerichtshof war jedoch der Ansicht, dass bei einem fristgerecht erklärten Widerspruch des Verbrauchers beim Fernabsatzvertrag die empfangenen Leistungen von den Vertragsparteien zurückzugewähren sind. Wenn die Ware sich verschlechtert hat oder sogar – wie es juristisch heißt – „untergegangen“ ist, muss statt der Rückgabe Wertersatz geleistet werden. Verbraucher müssten auch für eine durch „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“ entstandene Verschlechterung Ersatz leisten. Die Wertersatzpflicht bestehe jedoch nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. Das, so das Gericht, sei bei dem Befüllen des Wasserbetts der Fall.
2004 hatte der Bundesgerichtshof ein ähnliches Urteil gefällt. Damals klagte ein Käufer gegen einen Versandhändler, weil dieser ein nur teilweise geliefertes Notebook nicht zurücknehmen und den vollen Kaufpreis inklusive Porto erstattet haben wollte. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat ein Käufer aber auch dann die Möglichkeit, ein online bestelltes Notebook zurückzugeben, wenn es individuell für ihn zusammengebaut wurde.
Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) kritisierte das Urteil damals scharf: Online- und Versandhändler seien keine kostenlosen Verleiher von hochwertiger Ware. Das Risiko, dass selbst hochwertige Neuware nach dem „Ausprobieren“ und dann der Ausübung des Rückgabe- und Widerrufsrechts durch den Kunden wertlos wird, trage allein der Online- oder Versandhändler. So werde dem Missbrauch des Rückgaberechts Vorschub geleistet. „Durch moderne Technik wie Produktvideos, virtuelle Anprobe oder Rundum-Ansichten, detaillierte Produktbeschreibungen, Webcams zur Live-Kundenbetreuung, Benutzerforen und vieles andere kann sich der Kunde heute im Netz besser vor dem Kauf über die Ware informieren als im personell oft immer weiter ausgedünnten Stationärhandel“, sagte BVH-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer.
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